Ineffizienz = Beamtentum (oder umgekehrt)

 

Ich möchte vorausschicken, dass die nachfolgenden Zeilen nicht auf alle Beamten und auch nicht ausschliesslich auf die Situation in der Schweiz oder Deutschland zutreffen. Selbstverständlich gibt es überall tüchtige und effiziente Beamte, welche sich als Dienstleister am Bürger verstehen (englisch: civil servant). Aber leider gibt es auch andere, und ich fürchte, es ist die Mehrheit.

Vor etwa einem Jahr unternahm ich das Abenteuer, für einen deutschen Freund meine damalige, in der Schweiz immatrikulierte JAGUAR-Limousine nach Deutschland zu importieren. Ich wollte ihm dieses Fahrzeug verkaufen und brauchte hierfür einerseits die schweizerische Ausfuhrgenehmigung, anderseits die Bestätigung der deutschen Verzollung mit Umsatzversteuerung. Also fuhr ich beim Deutschen Zollamt beim Grenzübergang Basel-Weil am Rhein vor und holte zuerst die vorbestellte schweizerische Ausfuhrgenehmigung bei einer am selben Ort (!) domizilierten Privatfirma ab. Wer bei dieser geografischen Nähe von Privatfirmen und Zollbehörden auf den Gedanken kommt, dass hier eine unheilige Allianz zum gegenseitigen Zuschanzen von Aufträgen vorliegt, dürfte wohl richtig geraten haben. Nur nebenbei erwähnt sei, dass dieses einseitige Formular, dessen Ausstellung wohl kaum mehr als zwei Minuten in Anspruch genommen haben dürfte, den satten Betrag von über CHF 100.00 gekostet hat.

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Daraufhin wurde ich zum zuständigen Schalter des deutschen Zolls geschickt, welchen ich nach einigem Suchen tatsächlich gefunden habe. Glücklicherweise war ich der einzige „Kunde“, sonst würde ich wohl heute noch dort anstehen … Der wenigstens recht freundliche Beamte schaute sich mal in grösster Ruhe meine Unterlagen (Fahrzeugausweis, Ausfuhrgenehmigung, Formular EUR 1 usw.) an, bündelte sie, legte sie mal zuerst nach links auf seinen Schreibtisch, dann wieder nach rechts – was er im Lauf des etwa einstündigen Verfahrens noch mehrmals tat. Dann machte er gewisse Eingaben in seinen Computer (mit zwei Bildschirmen), schrieb dann gewisse Daten vom Bildschirm ab auf ein Blatt Papier, und druckte irgendwas aus. Der Drucker stand sinnvollerweise etwa vier Meter entfernt, und für jeden einzelnen Ausdruck musste er aufstehen, das Papier beim Drucker holen und damit zu seinem Arbeitsplatz zurückkehren. Da damals wegen Corona noch Maskenpflicht herrschte, setzte er jedes Mal die Gesichtsmaske auf, welche er am Arbeitsplatz dann wieder ablegte. Selbstverständlich wiederholte sich auch dieses Prozedere x-mal.

Zwischendurch kam ein Arbeitskollege zu dem Zollbeamten und diskutierte mit ihm minutenlang irgendwelche Lehrlingsfragen. Dann kam auch noch eine Kollegin, die ihm eine Plastikkrone aufsetzte und erklärte, er wäre zum heutigen König des Amts erkoren worden. Dass vor dem Schalter ein „Kunde“ stand und auf die Erledigung seiner Angelegenheiten wartete, interessierte nun wirklich niemanden … Dann wollte er den JAGUAR  noch  persönlich  in  Augenschein  nehmen, weshalb er mich bat, draussen auf dem Parkplatz beim Wagen auf ihn zu warten. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich dort auch  wieder  etwa  10  Minuten  wartete,  bis er sich zu mir bequemte. Nach der Besichtigung wurde ich wieder zum Schalter befohlen, wo ich – wen wundert’s – wiederum etliche Zeit wartete, bis er auftauchte. Nun ging das Verfahren doch langsam – sehr langsam – seinem Ende entgegen. Der Zollbeamte schien endlich alle Formulare beisammen zu haben und heftete sie voll Stolz mit seinem Elektrotacker. Pech nur, dass er sie falsch zusammenheftete. Also mit dem Fingernagel wieder aufgelöst, neu getackert, mit etlichen Stempeln versehen und unterzeichnet. Dann wurde ich zur Kasse in ein anderes Stockwerk geschickt, wo ich zum Glück wiederum nicht anstehen musste. Der dortige mürrische Beamte empfand es offenbar als persönliche Beleidigung, wenn jemand sich seinem Schalter näherte. Als ich dann endlich mit den ersehnten Dokumenten in den JAGUAR stieg und weiter auf die BAB 5 fuhr, musste ich mir mal zur Beruhigung eine Zigarre anzünden.

Dies ist keinesfalls ein Einzelfall, ähnliches hatte ich einige Jahre früher schon beim französischen Zoll erlebt, als ich unseren damaligen ALFA ROMEO von der Schweiz nach Frankreich importierte. Aufgefallen ist mir insbesondere, dass sowohl beim deutschen als auch beim französischen Zoll zwar alle nur denkbaren Computer rumstehen, aber trotzdem viele Formulare von Hand ausgefüllt werden, ja dass sie teilweise vom Bildschirm abgeschrieben werden! Da kann man sich eigentlich nur noch an den Kopf fassen. Vom schweizerischen Zoll hatte ich auch keinen besseren Eindruck: Vor dem Export unseres JAGUAR-Cabrios nach Frankreich vor etwa 10 Jahren erkundigte ich mich bei einem zuständigen Revisor beim Zollamt Luzern hinsichtlich Ausfuhrformalitäten. Ich erhielt die Auskunft, ich könne bei jedem beliebigen Zollamt vor der Ausreise den Stempel auf dem Formular EUR 1 einholen, etwas anderes werde nicht benötigt. Auf telefonische Anfrage beim Zollamt Rheinfelden erklärte mir ein recht aggressiver Zollbeamter, dies sei nicht möglich, bei der Ausfuhr nach Frankreich wäre einzig das Zollamt Basel-Saint-Louis zuständig. Als ich es dann beim Zollamt Basel-Weil am Rhein versuchte, war dies zwar kein Problem, aber nebst dem Formular EUR 1 brauchte es zusätzlich die schweizerische Ausfuhrgenehmigung. Zum Glück hatte ich die Auskunft des erstgenannten Revisors als e-mail-Ausdruck dabei, weshalb mir der Zollbeamte dann gutmütiger Weise das entsprechende Formular ausfüllte. Andernfalls hätte ich eine der im selben Haus domizilierten Privatfirmen mit dem Ausfüllen des Formulars beauftragen müssen (siehe oben: Zuschanzen von Aufträgen).

Es ist klar, dass sich ein Privatunternehmen die oben beschriebene Arbeitsweise nicht oder zumindest nicht lange leisten kann. Ein Selbständigerwerbender, der so arbeitet, wird wohl das erste Halbjahr nicht überstehen. Allerdings sollte ein Arbeitgeber ein Auge darauf haben, dass seine Angestellten nicht in eine Beamtenmentalität verfallen („der Kunde ist für uns da“), und zwar auch dann nicht, wenn man eine Monopolstellung hat oder dies wenigstens glaubt. Zur Zeit sind Handwerker Mangelware, aber die Zeiten können auch mal wieder ändern …

Markus Stalder / 9. Juli 2023

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